Die Mobbingforschung hat einen langen Weg zurückgelegt, ehe sie ein fundiertes Modell entwickeln konnte, das sich als zuverlässig (kulturunabhängig) erwies. Dieses Modell stützt sich im Wesentlichen auf sogenannte Peer-Reports: Es ist die Summe der Beobachtungen aller Mitglieder einer Gruppe, wobei jeder stets nur berichtet, was zu beobachten war, und nicht, was selbst beabsichtigt, getan oder unterlassen wurde. Daraus resultiert ein objektiviertes und konsistentes Modell, das sich aus verschiedenen Verhaltenstendenzen zusammensetzt. Zwar ist solch ein Modell weniger prozessual, aber es lassen sich daraus trotzdem, vergleichbar etwa zu Wettermodellen, Prozesse illustrieren, die sozialpsychologisch erklären, wie Mobbing als Gruppenprozess funktioniert (Salmivalli et al., 1996).
Wie eine Art Drehbuch kann zumindest in groben Zügen beschrieben werden, wie solch ein System entsteht, Schwungmasse gewinnt und sich schlussendlich verfestigt, sodass es irreversibel die soziale Struktur einer Gruppe zum Vorteil einiger und zum Nachteil einer einzigen Person verändert. Es ist sogar möglich, verschiedene Auflösungen anzubieten. Weil Mobbing als Missbrauch sozialer Macht durch systematische und wiederholte Attacken gegen Schwächere definiert ist (Smith, 1994), ist eine Prozesshaftigkeit des Phänomens substanzieller Bestandteil (Schäfer, 2003). Zum einen kann deshalb auf der Makroebene ein grundsätzlicher Ablauf beschrieben werden. Zum anderen ist es aber genauso möglich, hochauflösender Untergruppen zu fokussieren, um aus deren Perspektive Wirkmechanismen zu erklären. Verbindet man die Draufsicht auf die gesamte Gruppe (Makroebene) mit den Perspektiven der verschiedenen Untergruppen respektive Mobbingrollen, dann entsteht daraus ein umfangreiches Bild, das die Maschinerie „Mobbing“ eindrücklich beschreibt. Und weil das zugrunde liegende Wissen direkt aus den Beobachtungen der Gruppenmitglieder und nicht aus den Beobachtungen wie Interpretationen der Forschenden stammt, kann davon ausgegangen werden, dass es sich um ein robustes Modell handelt, das weltweit unabhängig der Kultur gut funktioniert (Smith et al., 2018).
Zwei Fragen resultieren, um ein modellhaftes Entstehen eines Mobbingsystems skizzieren zu können:
Drei Schritte zur sozialen Macht Die grundsätzliche Entwicklung eines Mobbingsystems
Dominanz Orientierte dreschen nicht willfährig auf irgendein anderes Gruppenmitglied ein, sondern sie erhalten durch gestreute, explorative Aggression Hinweise für ein geeignetes Opfer (Perry et al., 1990). Das heißt, dass anhand von Attacken auf verschiedene Gruppenmitglieder und deren Reaktionen Einschätzungen möglich werden, ob und mit welchen Personen was möglich ist. Nichtsdestotrotz ist Aggression in den Augen der anderen ein Normbruch (Whitney & Smith, 1993; Rigby & Slee, 1993; Charach et al., 1995; Gini et al., 2008), selbst wenn aggressives Verhalten während der Pubertät aus der Peripherie ins Zentrum des alltäglichen Umgangs rückt (Moffitt, 1993). Ablehnung, wenn nicht sogar Gegenaggressionen sind zu erwarten (Coie et al., 1982; Newcomb & Bukowski, 1983; Rigby & Slee, 1993; Charach et al., 1995).
Das erste Stadium, die sogenannte Explorationsphase (Schäfer, 2003), ist folglich dadurch gekennzeichnet, dass eine Hierarchie durch das Agieren des Täters initiiert wird. Der Gruppenbildungsprozess orientiert sich dabei anhand der sozialen Rangordnung, die vornehmlich von den Dominanzaffinen der Klasse ausgestaltet wird (Pellegrini & Bartini, 2000). Sozial schwächer positionierte Individuen kristallisieren sich dadurch heraus und werden für Täter sichtbar. So flapsig der Spruch auch sein mag, „zur falschen Zeit am falschen Ort“ ist die zutreffende Beschreibung für Personen in einer Opferrolle, denn weder ihre Persönlichkeit noch andere individuelle Merkmale, sehr wohl aber kontextuelle Faktoren lassen sie zusehends herausstechen (Schäfer et al., 2004).
Dieses Auskundschaften der sozialen Struktur der eigenen Schulklasse, die durchaus komplex sein kann, ist risikobehaftet. Der Erfolg bemisst sich am geschickten, manipulativ-instrumentellen Vorgehen, um möglichst schnell und wirkungsvoll qua eigener Fähigkeiten Schwächeren ihr soziales Unterstützungspotential zu entziehen (Sutton et al., 1998; Schäfer, 2003). Ihre Aggression muss in den Augen anderer als gerechtfertigt erscheinen, um das eigene Risiko auf eine langfristig wirkende Ablehnung zu minimieren. Dass Aggression in der Pubertät funktional (Moffitt, 1993) und Dominanzstreben eine Entwicklungsaufgabe darstellt (Hawley, 1999), unterfüttert die Bestrebung der aggressiv Agierenden genauso wie die Inaktivität derer, die danebenstehen und nichts tun (vgl. Schäfer, 2003; Salmivalli, 2010; Schäfer & von Salisch, 2013). Noch systemischer gedacht spielen die hierarchische Organisation des Schulsystems (Schäfer, 2003), die Rolle des Lehrers als Modell (Bandura, 1977; DeRosier et al., 1994b), der einbeschriebene Leistungsgedanke (DeRosier et al., 1994a) und die Schulpflicht, die die Klasse stets zusammenhält, ebenfalls in die Karten der Aggressionsaffinen. Bei Erfolg ist der Effekt stets der Gleiche: Zusehends entsteht eine ablehnende Einstellung gegenüber dem Opfer als Effekt der aggressiven Attacken (Coie, 1990; Egan & Perry, 1998).
Dieses Explorieren zu unterbinden ist schwerlich möglich, weil zum einen die unterliegenden Mechanismen, die den Alltag Jugendlicher im Wesentlichen bestimmen, nicht abschaffbar sind. Und zum anderen bilden aggressive, normverletzende Attacken ein Lernfeld, um Konsequenzen von Aggression kennenzulernen (Smith & Pellegrini, 2000). Das heißt, dass sie Bestandteil der Ausbildung (erwünschter) sozialer Fähig- und Fertigkeiten sind (vgl. z.B. Krappmann & Oswald, 1995), die wiederum maßgeblich mitbestimmen, ob Mobbing passiert oder nicht.
Das System beginnt zu kippen, sobald zu beobachten ist, dass Mitschüler sich an Mobbingepisoden beteiligen, während sich gleichsam die Attacken zunehmend auf eine Person konzentrieren. Die Quelle der Aggression wird für Beobachtende außerhalb der Klasse zunehmend diffus, weil immer mehr Schüler partizipieren (Schäfer, 2003).
Wenn Mobbing nicht die Schädigung einer Person, sondern die Etablierung oder Aufrechterhaltung von Dominanz zum Ziel hat, dann stehen systemisch betrachtet weder Täter noch Opfer, sondern alle anderen Mitschüler der gleichen Klasse im Zentrum. Diese bestimmen durch Zuspruch oder einem Gewährenlassen, wer dominant ist. Die Choreografie muss daher so gestaltet sein, dass für möglichst viele Mitschüler die Aktionen des Täters gerechtfertigt, amüsant oder zumindest nicht ablehnungsbedürftig erscheinen (Schäfer, 2003). In kalkulierter Erwartung von Gegenreaktionen werden aggressiv provozierende Handlungen initiiert, die die Opferreaktionen inadäquat erscheinen lassen, um im letzten Schritt das Ablehnungsniveau gegenüber dem Opfer sukzessive zu forcieren (Schäfer, 2003). Von außen vermeintlich als Konflikt erscheinend handelt es sich hierbei aber um keine Auseinandersetzung, die auf einer irgendwie gearteten Beziehung fußt. Es ist Instrumentalisierung, nicht aber Feindschaft. Dass die Strategie funktioniert, zeigen etwa Boivin und Kollegen (1998), die zunehmende Viktimisierung als guten Prädiktor für eine stabile Ablehnung identifizieren können.
In der Manifestationsphase löst sich die angesprochene Diffusität wieder auf; Täter und Opfer sind wieder besser unterscheidbar (Schäfer, 2003). Allerdings verschwindet der Täter im Meer der anderen Mitschüler, weil einerseits eine hervorstechende, gestaltende Rolle nicht zwangsläufig mehr eingenommen werden muss. Das selbstgeschaffene System ist gesetzt. Der Dominanteste kann im Hintergrund dirigieren.
Andererseits ist das Verhalten der anderen Mitschüler nicht mehr stark von dem der Probullies (aggressiv Agierenden) unterscheidbar (Schäfer, 2003). Die vom Täter initiierte Normverschiebung wirkt, Aggression ist salonfähig(er). Das Opfer ist isoliert und befindet sich (daher) außerhalb des Geltungsbereichs der sozialen Normen der eigenen Klasse (Schäfer, 2003). Die sogenannte Grenze ohne Rückkehr ist erreicht, wenn nicht bereits überschritten. Ein Ausweg für das Opfer ohne kompetente Hilfe von außen existiert nicht (Schäfer, 2003). Die Basis für das bisher existierende Normensystem ist entzogen, der Täter respektive die Probullies bestimmen alleinig, was in der Klasse passiert. Das Opfer ist und bleibt das Exempel, an dem demonstriert wird, was man sich alles erlauben kann, das heißt, wie viel soziale Macht man besitzt.
Drehbuch einer Mobbingepisode Ein Konzert verschiedener Verhaltenstendenzen
Eine Mobbingepisode kann schwerlich dadurch erklärt werden, dass eine Person die gesamte Klasse derart kontrolliert, dass sie, der Täter, alleinige Ursache respektive Triebfeder des Passierenden ist. Eine Mobbingepisode kennzeichnet wie viele andere soziale Situationen, dass alle Beteiligten sich vornehmlich verhalten. Das heißt, dass das Beobachtbare etablierte, sozialisierte Verhaltensmuster sind. Sie sind erlernt, automatisiert und insoweit erprobt, als dass sie sich in der Vergangenheit als effektvoll erwiesen haben. Alle Gruppenmitglieder bilden daher ein Konzert verschiedener Verhaltensschemata, die dabei so aufeinander abgestimmt sind, dass alle Beteiligten bis auf eine Person (Opfer) mehr oder weniger unbeschadet partizipieren und sozial-räumlich verschiedene Positionen selbstgewählt einnehmen (Letsch, 2024). Weder Aggressionsaffine (Probulllies) noch Verteidiger oder Außenstehende agieren vornehmlich strategisch überlegt und adjustieren kalkuliert geschickt.
Diese sekundenschnell eintretenden Verhaltensweisen basieren auf elaboriertem Erfahrungswissen (vgl. Lewin, 1931; Skinner, 1938; Skinner, 1966; Bandura, 1977; Bandura, 1979). Das bedeutet aber sogleich, dass für alle Schüler einer Klasse ihre Beobachtungen der Mitschülerreaktionen maßgeblicher sind als das Gewahr werden des eigenen Verhaltens (vgl. z.B. Latané & Darley, 1970; Moffitt, 1993; Hawley, 1999, Eisenberg et al., 2014). Jede Mobbingepisode zeichnet sich dadurch aus, dass es sich hierbei um eine psychologisch laute Situation handelt. Das bedeutet nicht unbedingt, dass sie hörbar laut ist. Werden Grenzen überschritten, von denen jeder weiß, dass sie niemals überschritten werden dürfen oder traut sich jemand etwas, von dem man gar nicht erwartet hätte, dass er sich derart weit vor traut, dann bindet dies die Aufmerksamkeit aller auf ein und dasselbe Ereignis. Das heißt, es entsteht zunächst eine sogenannte „starke Situation“ (Krueger, 2009), in der von allen eine Positionierung eingefordert wird. Ob es bei dieser bleibt, das heißt, ob jeder sich entsprechend seinen Werten unter den gegebenen Bedingungen verhält, ist offen. Dem entgegen stehen soziale Prozesse respektive Gruppendynamiken, die aus eigener Überzeugung entstehendes Verhalten überlagern können. Defizitannahmen etwa in der Wahrnehmung passen nicht, denn es lassen sich keine Unterschiede in der Fähigkeit zur Perspektivenübernahme empirisch nachweisen (Letsch, 2024). Das heißt, dass alle Schüler einer Klasse gleich gut darin sind, in der Mimik und Gestik anderer zu lesen, wie es der beobachtenden Person momentan ergeht oder ergehen muss. Allerdings differiert, wie diese rein kognitive Fähigkeit eingesetzt wird.

Probullies nutzen die Fähigkeit zur Perspektivenübernahme nicht primär dazu, um den Grad der Schädigung ihrer Attacken in der Mimik und Gestik des Opfers widergespiegelt ablesen zu können. Sie validieren hingegen anhand der Reaktionen des Rests der Gruppe, wieviel entweder qua Mitmachen oder Füße still halten ihre Aktionen tolerieren oder gar gutheißen. Denn wenn es bei Mobbing um Dominanz geht, dann ist die Reaktion der Mitschüler entscheidend (vgl. Smith, 1994; Hawley, 1999). Die Schädigung ist Mittel zum Zweck. Ist beobachtbar, dass mehrheitlich unterstützt oder zugelassen wird, was passiert, dann ist augenblicklich ebenso für alle Gruppenmitglieder klar, wer die begrenzte Ressource Dominanz (Hawley, 1999), das heißt die obersten Positionen im Klassengefüge zugesprochen bekommt.
Dieses Verhalten zur Etablierung oder Manifestation des eigenen sozialen Status ist Lernen am Erfolg (vgl. Festinger, 1954; Bandura, 1977; Taifel & Turner, 1986). Gesteht einem die Mehrheit der Klasse zu, die Attacken durchzuführen, ist dies eine positive Verstärkung. Kommen Probullies mit ihren Aktionen nur teilweise zum Erfolg, dann verfängt nicht die Einsicht, dass es zu riskant sein könnte, weiterhin aggressiv derart zu agieren. Stattdessen ist die Schlagzahl aggressiver Attacken sogar vergleichsweise erhöht, um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, regelmäßig(er) das Ziel sozialer Dominanz zu erreichen (vgl. intermittierende Verstärkung nach Ferster & Skinner, 1957). Nur wenn persistent und konsequent aggressives Verhalten in der Klasse nicht zum gewünschten Zugang und Verfestigen des eigenen sozialen Status führt, kann davon ausgegangen werden, dass Mobbing als eine Aggressionsform auf Gruppenebene immer weniger beobachtbar ist.
Verteidiger verwenden hingegen die Fähigkeit zur Perspektivenübernahme, um das Opfer zu fokussieren. Mimisch und gestisch wird das Leid erkennbar. Sie sorgen sich um den Zustand, in dem sich das Opfer befindet, und verfolgen aus eigener Überzeugung des sozialen Umgangs und der dahinterstehenden Normen, dass eine Veränderung der Situation für das Opfer eintreten muss (vgl. Eisenberg & Fabes, 1990; Batson et al., 1997; Eisenberg et al., 2014). Ein verhaltensbasiertes Synonym für den Wunsch der Zustandsveränderung des Opfers ist das Helfen. Es ist dabei wichtig zu betonen, dass Verteidiger nicht altruistisch aufopferungsvoll handeln, sondern aus ihrer Überzeugung heraus mitgestalten, um prosoziale Normen in der eigenen Klasse gewahrt zu sehen.
Auch hier ist das Lernen am Erfolg wesentlich. Erkennt eine verteidigende Person durch Trösten im Nachgang einer Episode, dass das Opfer dadurch aufgefangen werden kann, ist dies eine positive Verstärkung. Schafft man es einzuschreiten oder Hilfe zu holen, die dann die Mobbingepisode stoppt oder abmildert, bestärkt auch dies, in Zukunft ähnliches Verhalten zu zeigen. Allerdings schwindet die Überzeugung langfristig, tatsächlich effektvoll zu agieren: Obwohl situativ Verbesserungen möglich sind, kann beobachtet werden, dass trotz allem das Opfer langfristig isoliert wird, öfters in der Schule fehlt, sich immer stärker zurückzieht und oftmals bedrückt ist. Diese Einsicht beinhaltet ein gewisses Frustrationsmoment, das die Frage aufwirft, ob man tatsächlich als verteidigende Person auf Klassenebene mitgestalten kann. Deshalb dürfte des Öfteren beobachtbar sein, dass die Anzahl der Verteidiger bei bestehendem Mobbingsystem sukzessive abnimmt. Die Verteidiger stellen ihre Handlungen ein und rücken in eine Zuschauerrolle ab (vgl. Salmivalli & Voeten, 2004; Baumann, 2012).
Auch Außenstehende fokussieren wie die Verteidiger das Opfer. Auch sie lesen in der Mimik und Gestik, wie es dem Opfer ergeht, reagieren allerdings nicht wie die Verteidiger „sympathisch“, sondern „empathisch“. Anstatt eine gewisse Distanz zum Geschehen aufrechtzuerhalten, um jederzeit reaktionsfähig zu sein (emotionale Selbstregulation) ist für die Mehrheit Außenstehender „Personal Distress“ zu denken (Letsch, 2024). Aus Mitfühlen wird Mitleiden, eine selbstgerichtete (autofokussierte) unangenehme (aversive) emotionale (affektive) Reaktion. Unbehagen und Mitleid schwingt mit (Batson, 1991). Diese empathische Übererregung (Hoffman, 2000), die durch Stressmarker wie erhöhter Herzschlag, spezifische Gesichtsausdrücke und vermehrtes Schwitzen charakterisiert ist (Eisenberg & Fabes, 1990; Eisenberg et al., 1989; Eisenberg et al., 2006; Fabes et al., 1993; Zahn-Waxler et al., 1995), lässt Außenstehende darum ringen, wie man diese aversive Gefühlslage möglichst schnell gedeckelt bekommt.
Das heißt, dass Außenstehende womöglich noch in Richtung einer Mobbingepisode starren, psychologisch allerdings mit voller Aufmerksamkeit bei sich selbst sind, um möglichst schnell die eigenen negativen Emotionen zu kontrollieren beziehungsweise abzumildern. Im Laufe einer Mobbingepisode ist daher zu beobachten, wie versucht wird eine räumlich-psychologische Distanz aufzubauen, um sich effektiv der Ursachen das eigenen Mitleidens zu entziehen. Hierbei ist in verschärfter Form die operante Konditionierung zu denken (vgl. Skinner, 1953), das heißt, dass ohne Bewusstseinselemente schnell gelernt wird, dass bei einer ähnlichen Gefühlslage in vergleichbaren Situationen wieder so verfahren werden kann, um sich schnellstmöglich besser zu fühlen. Das bedeutet jedoch, dass dieses Verhalten nicht nur hochautomatisiert erlernt wurde, sondern aufgrund der Konditionierung auch schwer wieder zu ändern ist (vgl. Skinner, 1953).
Damit ist das Drehbuch pro Täter vollendet: Ein Drittel der Klasse initiiert und beteiligt sich in einer Mobbingepisode, ein Drittel versucht dagegen vorzugehen, während das letzte Drittel danebensteht und nichts tut. Zum einen besteht dadurch auf der Ebene des Dominanzzugestehens eine Mehrheit für den Täter, weil diejenigen, die danebenstehen und nichts tun, allen suggerieren, dass das, was passiert, nicht ablehnungsbedürftig erscheint (vgl. z.B. Salmivalli, 2010). Zum anderen sind die Chancen langfristig höher, ein Mobbingsystem erfolgreich zu etablieren und zu erhalten, weil die Stütze und Hilfe der Verteidiger vielmehr situativ als langfristig nachhaltig wirken.
Literaturverzeichnis
- Bandura, A. (1977). Social Learning Theory. Oxford, England: Prentice-Hall.
- Bandura, A. (1979). The social learning perspective: Mechanisms of aggression. In: H. Toch (Hrsg.), Psychology of crime and criminal justice, 193–236. Prospect Heights, IL: Waveland Press.
- Batson, C. D. (1991). The altruism question: Toward a social-psychological answer. Hillsdale, NJ: Erlbaum.
- Batson, C. D., Early, S. & Salvarani, G. (1997). Perspective taking: Imagining how another feels versus imagining how you would feel. Personality and Social Psychology Bulletin, 23(7), 751-758.
- Boivin, M., Dodge, K. A. & Coie, J. D. (1995). Individual group behavioral similarity and peer status in experimental play groups of boys: The social misfit revisited. Journal of Personality and Social Psychology, 69(2), 269–279.
- Charach, A., Pepler, D. & Ziegler, S. (1995). Bullying at school: A Canadian perspective. Education Canada, 35, 12–18.
- Coie, J. D. (1990). Towards a theory of peer rejection. In: S. R. Asher & J. D. Coie (Hrsg). Peer rejection in childhood, 356–401. New York: Cambridge University Press.
- Coie, J. D., Dodge, K. A. & Coppotelli, H. (1982). Dimensions and types of social status: A cross-age perspective. Developmental Psychology, 18, 557–570.
- DeRosier, M. E., Cillessen, A. H. N., Coie, J. D. & Dodge, K. A. (1994a). Group social context and children’s aggressive behavior. Child Development, 65(4), 1068–1079.
- DeRosier, M. E., Kupersmidt, J. B. & Patterson, C. J. (1994b). Aggression and social competence in children: An interpersonal perspective. Developmental Psychology, 30(1), 118–129.
- Egan, S. K., & Perry, D. G. (1998). Does low self-regard invite victimization? Developmental Psychology, 34, 299–309.
- Eisenberg, N. & Fabes, R. A. (1990). Empathy and prosocial behavior. Developmental Psychology, 26(5), 165-173.
- Eisenberg, N., Fabes, R. A. & Spinrad, T. L. (2006). Prosocial behavior. In: N. Eisenberg & W. Damon & R. M. Lerner (Hrsg.), Handbook of child psychology: Vol. 3. Social, emotional, and personality development, 6. Auflage, 646–718. New York: Wiley.
- Eisenberg, N., Fabes, R. A., Miller, P. A., Fultz, J., Shell, R., Mathy, R. M. & Reno, R. R. (1989). Relation of sympathy and personal distress to prosocial behavior: A multimethod study. Journal of Personality and Social Psychology, 57(1), 55–66.
- Eisenberg, N., Spinrad, T. L. & Morris, A. (2014). Empathy-related responding in children. In: M. Killen & J. D. Smetana (Hrsg.), Handbook of Moral Development, 2. Auflage, 184–207. Psychology Press, New York und London.
- Fabes, R., Eisenberg, N. & Eisenbud, L. (1993). Behavioral and physiological correlates of children’s reactions to others in distress. Developmental Psychology, 29, 655–663.
- Ferster, C. B. & Skinner, B. F. (1957). Schedules of reinforcement. Appleton-Century-Crofts.
- Festinger, L. (1954). A theory of social comparison processes. Human Relations, 7(2), 117–140.
- Gini, G., Albiero, P., Benelli, B. & Altoè, G. (2008). Determinants of adolescents‘ active defending and passive bystanding behaviour in bullying. Journal of Adolescence, 31, 93–105.
- Hawley, P. H. (1999). The ontogenesis of social dominance: A strategy-based evolutionary perspective. Developmental Review, 19, 97–132.
- Hoffman, M. L. (2000). Empathy and moral development: Implications for caring and justice. Cambridge, UK: Cambridge University Press.
- Krappmann, L. & Oswald, H. (1995). Alltag der Schulkinder: Beobachtungen und Analysen von Interaktionen und Sozialbeziehungen. Weinheim: Juventa.
- Latané, B. & Darley, J. M. (1970). The unresponsive bystander: Why doesn't he help? New York: Appleton-Century-Crofts.
- Lewin, K. (1931). Der Übergang von der aristotelischen zur galileischen Denkweise in Biologie und Psychologie. In: R. Carnap & H. Reichenbach (Hrsg.), Erkenntnis - Erster Band, 421–466.
- Moffitt, T. E. (1993). Adolescence-Limited and Life-Course-Persistent Antisocial Behavior: A Developmental Taxonomy. Psychological Review, 100(4), 647–701.
- Newcomb, A. F., & Bukowski, W. M. (1983). Social impact and social preference as determinants of children's peer group status. Developmental Psychology, 19, 856–867.
- Pellegrini, A. D., Bartini, M. & Brooks, F. (1999). School bullies, victims, and aggressive victims: Factors relating to group affiliation and victimization in early adolescence. Journal of Educational Psychology, 91, 216–224.
- Perry, D. G., Perry, L. C. & Boldizar, J. P. (1990). Learning of aggression. In: Lewis, M. & Miller, S. M. (Hrsg.), Handbook of developmental psychopathology: Perspectives in developmental psychology, 135–146. New York, NY: Plenum Press.
- Salmivalli, C. & Voeten, M. (2004). Connections between direct and relational forms of bullying and the role of the defending. Educational Psychology, 24(1), 25–39.
- Salmivalli, C. (2010). Bullying and the peer group: A review. Aggression and Violent Behavior, 15, 112–120.
- Salmivalli, C., Lagerspetz, K., Björkqvist, K., Östermann, K. & Kaukiainen, A. (1996). Bullying as a group process: Participant roles and their relations to social status within the group. Aggressive Behavior, 22, 1–15.
- Schäfer, M. & von Salisch, M. (2013). Das Individuum und die Peers – eine strukturelle Perspektive. Praxis der Kinderpsychologie und Kinderpsychiatrie, 62(3), 171–178.
- Schäfer, M. & von Salisch, M. (2013). Das Individuum und die Peers – eine strukturelle Perspektive. Praxis der Kinderpsychologie und Kinderpsychiatrie, 62(3), 171–178.
- Schäfer, M. (2003). Opfer - Täter - Mitschüler: Ein Modell zur Bedeutung des sozialen Kontextes für die Dynamik von sozialer Aggression in Schulklassen. Ludwig-Maximilians-Universität München.
- Schäfer, M., Korn, S., Brodbeck, F. C., Wolke, D. & Schulz, H. (2004). Bullying roles and changing contexts: The stability of victim and bully roles from primary to secondary school. Research Report No. 165. Munich, Germany: Ludwig-Maximilians-University.
- Skinner, B. F. (1938). The behavior of organisms: An experimental analysis. New York: Appleton-Century.
- Skinner, B. F. (1953). Science and human behavior. Free Press.
- Skinner, B. F. (1966). What is the experimental analysis of behavior? Journal of the Experimental Analysis of Behavior, 9, 213–218.
- Smith, P. K. (1994). What can we do to prevent bullying. The Therapist, Summer, 12–15.
- Smith, P. K., & Pellegrini, A. D. (2000). Bullying in schools: Psychological development in childhood and adolescence. Cambridge University Press.
- Smith, P. K., Sundaram, S., Spears, B. A., Blaya, C., Schäfer, M. & Sandhu, D. (2018). Bullying, Cyberbullying and Student Well-Being in Schools: Comparing European, Australian and Indian Perspectives. Cambridge University Press.
- Sutton, J., Smith P. K. & Swettenham, J. (1999). Bullying and “theory of mind”: A critique of the “social skills deficit” view of anti-social behaviour. Social Development, 8(1), 117–127.
- Tajfel, H. & Turner, J. C. (1986). The social identity theory of intergroup behavior. In: S. Worchel & W. G. Austin (Hrsg.), Psychology of intergroup relations, 7–24. Nelson-Hall.
- Whitney, I. & Smith, P.K. (1993). A survey of the nature and extent of bullying in junior, middle and secondary Schools. Educational Research, 35, 3–25.
- Zahn-Waxler, C., Cole, P. M., Welsh, J. D. & Fox, N. A. (1995). Psychophysiological correlates of empathy and prosocial behaviors in preschool children with problem behaviors. Development and Psychopathology, 7, 27–48.
Webseiten
- Baumann, F. (2012). „Bei uns gibt es kein Mobbing!“: Welches Potential müsste ein Präventionsprogramm enthalten, um optimal gegen Mobbing im Klassenzimmer wirksam zu sein? Dissertation, LMU München: Fakultät für Psychologie und Pädagogik
- Letsch, H. (2024): Mobbing tut mir Leid: mitbekommen, miterlebt, mitgelitten. Dissertation, LMU München: Fakultät für Psychologie und Pädagogik.